Casa dei Turchi: die Veranda über dem Fluss

Ausstellung des Fotografen Massimo Falqui Massidda.

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Jemand.
Jemand könnte zerstreut eine Zeitung durchblättern. Jemand könnte durch die Verdunkelungen die vorbeigehenden Menschen und den rauschenden Fluss beobachten. Jemand könnte kochen oder einfach warten. Jemand könnte telefonieren. Der andere könnte ankommen, läuten und die Holztreppen emporsteigen. Und am nächsten Morgen beim Verlassen der Wohnung am zweiten Stock einen Mann treffen, der in den feuchten Keller geht, um eine Flasche Wein zu holen. Sein Anblick könnte ihn an einen vergessenen Gegenstand erinnern, und er könnte am darauf folgenden Tag in dieses vom Rauschen des Flusses umhüllte Haus zurück kehren.

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Im vom Rauschen den Flusses umhüllten Haus gibt es neue Geräusche. Die Mauern lauschen still, angstvoll, ihre Geheimnisse zu verlieren. Stiefel, Kälte, Pläne. Die Hände betasten wackelige Strukturen. Sie studieren was neu zusammengefügt werden soll. Und das wahre Geräusch der Bemühungen der neuen Bewohner setzt ein, die gewissenhaft, mit Skalpell und Stützen die Kraft dieser Wände testen. Die Muskeln ringen nach neuem Leben, Staub abschüttelnd. Die Holzaugen werden abgenommen. Analysiert. Neu zusammengesetzt. Ein Stück nach dem anderen. Der Leitfaden ist deutlich. Wörter, Stille, Wasser. Ereignisse zwischen diesen Wände treten wieder hervor. Das Haus wartet wieder darauf, dass jemand seine Stille füllt.

Allzu oft sehen wir leider machtlos zu, wie poetische Orte zerstört werden, wo über Jahrhunderte die Geschichte der Menschen sich in Symbiose mit seinen für das öffentliche und private Leben gestalteten Räumlichkeiten entwickelte. Allzu oft wird ein Gebäude zu einer bloßen funktionellen Einheit herabgesetzt. Die Frage ist, ob eine Ruine tatsächlich eine Ruine bleiben soll. Ob nur mit dauerndem Einsatz für deren Erhaltung die Geschichte geehrt werden kann. Beim Betreten eines seit langen Jahren verwahrlosten Gebäudes tauchen wir aufgrund des Staubs und der zerstreuten Gegenstände in eine ferne Welt.

Fast als ob die von uns erdachten Geschichten durch einen dünnen zyklischen Leitfaden verbunden wären, der durch sämtliche Jahrhunderte seit der Errichtung des Gebäudes verläuft. Und auch wir sind ein Teil davon. Lautlos verfangen wir uns in Spinnennetzen, finden zerknitterte Zeitungen, hören Geräusche, wie das Rauschen eines Flusses, der immer weiterfließt. Hier entsteht die Angst. Die Angst, diesen Zauber zu brechen. Diese Stille zu stören. Die Notwendigkeit der Erhaltung überwiegt. Aber nicht ohne das Bewusstsein, dass das Gebäude ein stummer Zeuge des Verlaufs der Zeit ist.

Zwischen seinen Schicht um Schicht verkleideten Wänden verweilen die Wörter lautlos, die darin gesprochen wurden. So kann die wahre Geschichte, jene der gemeinen Menschen, weiter bestehen. Wie in einer mündlichen Überlieferung, deren Übermittlung von einer Generation zur nächsten die Form verändert, nicht aber den Sinn der Geschichte. Nur durch Rücksicht und Verständnis für diese Unzahl nie geschriebener Bücher können wir unsere Häuser als das bewohnen, was sie wirklich sind. So wird das Schweigen zum Verbrechen, genau wie das Zerstören.